Sonic Youth kuratieren Ausstellung
No-Waver im Museum
Sie werden älter, aber sind noch gut im Geschäft: Sonic Youth, New Yorker Indieikonen der 80er-Jahre, eröffnen eine Gruppenausstellung in der Kunsthalle Düsseldorf. VON CHRISTIAN WERTHSCHULTE
Coolste Hipsterin im Gitarrenuniversum: Kim Gordon, Sängerin und Bassistin von Sonic Youth. Foto: dpa
Reinhören, abnicken, weiter im Text. So ähnlich dürften die Reaktionen ausfallen, wenn im Sommer das neue Album von Sonic Youth herauskommt.
Bedauerlich ist das nicht. Klar, eine Neuerfindung wie in den späten 90er-Jahren, als Spuren von Krautrock, Ambient und Free Jazz auf den Alben des New Yorker Projekts hörbar wurden, wäre schon ganz nett. Vielleicht würde das sogar für ein wenig Gesprächsstoff unter den Freunden des gepflegten Popdiskurses sorgen. Aber Hand aufs Herz - dafür ist die Musik von Sonic Youth eigentlich zweitrangig. Denn das Versprechen, das die Band verkörperte, war immer mehr, als ihr lärmiger und leicht entgrenzter Gitarrenrock einlösen konnte. Sonic Youth sind die Blaupause für Indie-Hipster, der Masterplan eines erfüllten Lebens aus Gitarren und Leinwänden, Dichtung und Politik. Dieses Leben kann man nicht als Monade führen.
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So viel sollte spätestens dann klar werden, wenn man sich den umfangreichen Katalog zur Ausstellung "Sensational Fix" durchliest, die am letzten Wochenende in Düsseldorf eröffnet wurde. Die Bandgeschichte von Sonic Youth ist die Historie eines weit gesponnenen Netzwerks aus Schriftstellern, Malern und Musikern, die in erster Linie Freunde sind. Als die Band sich in den frühen 80ern in New York zusammenfand, bestand ihr Freundeskreis schnell aus den Protagonisten des No Wave, einer Szene aus bildenden Künstlern, die Musik als ihr Material entdeckt hatten und sich in der Enge von Downtown Manhattan halt Tag für Tag über den Weg liefen. Ein Zufallsprinzip, das sich im Laufe der Jahrzehnte bewährt zu haben scheint. Erste Touren durch die USA und Europa vergrößern den Freundeskreis, und das Interesse der Band an neuen Künstlern und Musikern scheint weiterhin ungebrochen.
Die jetzige Schau "Sensational Fix" besteht daher auch ausschließlich aus den Werken befreundeter Künstler und einigen Stücken aus der persönlichen Sammlung der Bandmitglieder. Der funktionale Bau der Düsseldorfer Kunsthalle ist jedenfalls zu klein für die gesamte Ausstellung, was sich als glücklicher Zufall erweist. Denn die räumliche Zweiteilung spiegelt die Aktivitäten der Band auf den Punkt genau wieder. Neben den seltenen, bis 2008 überwiegend auf einem Major-Label erschienenen Aufnahmen als Sonic Youth sind alle Mitglieder in eine selbst für Sammler unüberschaubare Menge von Projekten in den Bereichen Film, Literatur und bildender Kunst involviert. Das erste Gesicht von Sonic Youth findet man in der Kunsthalle selbst. Hier schreiben Plattencover, Konzertplakate und Werke von John Cage, Isa Genzken und Mike Kelley den Platz der Band in der Kunstgeschichte fest, die dadurch in der Tradition der New Yorker Nachkriegsavantgarde, als durch Punk und No Wave geprägte Erben von Fluxus und Warhols "Factory" zugleich, erscheint.
Was nur zu gut passt. Schließlich etablieren sich so langsam die Jahre von 1978 bis 1983 als Ursprungsmythos einer an der Postmoderne geschulten Vorstellung von Popmusik, deren Ursprünge in einer Reihe Vinyl-Boxsets und Coffeetable-Books festgehalten werden und damit nicht nur für den kleinen Zirkel von Plattensammlern zugänglich bleiben.
Doch auch für die kleinen Mythen der Bandgeschichte ist an dieser Stelle Platz. Ein Pressezettel erzählt die Geschichte von "Youth against Fascism", dem wohl bekanntesten Stück der Band, einer Stellungnahme zu den Brandanschlägen in Hoyerswerda und Rostock. Und selbstverständlich darf auch Kurt Cobain nicht fehlen, dem Sonic Youth 1991 zu einem Plattenvertrag bei einem Major-Label verholfen haben. Dan Graham, ein alter Freund der Band, zeigt Dias aus Cobains Heimatstadt Aberdeen, deren Trostlosigkeit klarmacht, wieso ausgerechnet er die ungeliebte Rolle als Verkörperung einer Generation glaubwürdig ausfüllen konnte.
Letztendlich ist es aber doch sehr angenehm, wenn diese Großerzählung durch den zweiten Teil der Ausstellung wieder relativiert wird. An den Betonwänden des KIT, eines alten Tunnels, hat die Sammelleidenschaft der Band reichlich Platz gefunden. Dies ist der Ort, an dem man dem Versprechen von Sonic Youth am nächsten kommt. Nicht nur, weil deutlich wird, dass die Unordnung des Archivs einer der liebsten Orte der Band ist - schon seit Jahren zeichnen sie jedes Konzert und jede Session im Proberaum auf und finden so das Rohmaterial für ihre Platten und experimentellen Videoarbeiten -, sondern auch, weil sich zeigt, wie wenig hierarchisch die Vorlieben der Band sind. Beim Gang durch den Tunnel sieht das folgendermaßen aus: An einer Wand werden von Allen Ginsberg aufgenommene Privataufnahmen anderer Beatschriftsteller in verschiedenen Alltagsposen ausgestellt, nach denen sich jedes Literaturarchiv die Finger lecken würde. Schräg gegenüber hängt ein Gitarrenkasten mit einer blauen 7"-Single. Sie stammt von der italienischen Drone-Band My Cat is an Alien, keiner Unbekannten innerhalb der weltweit vernetzten Szene von Noisemusikern, bis jetzt aber im Sonic-Youth-Universum lediglich als Improvisationspartner von Gitarrist Lee Ranaldo aufgefallen.
Und hier zeigen sich auch die Grenzen des Versprechens Sonic Youth. Sosehr die Band seit Jahren das Ohr am Puls avancierter Gitarrenmusik hat, bei jeder Gelegenheit die richtigen Namen droppt, Bands zu Auftrittsmöglichkeiten und Veröffentlichungen verhilft, so wenig findet sich davon in ihrem eigenen Schaffen wieder. Sonic Youth sind 2009 so etwas wie Überväter einer Szene, deren musikalische Ausdrucksformen sich, völlig abgekoppelt von ihnen, weiterentwickeln haben. So haben sie sich vielleicht dann doch noch neu erfunden - als Blaupause für würdevolles Altern im System "Underground".
Bis 10. Mai, Kunsthalle Düsseldorf